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Für das Engelmagazin 5/2013: Den Weg des Herzens gehen

Bei meinem Versuch, die Welt zu begreifen und besser verstehen zu können, durfte ich bereits so mancher Idee und Sichtweise begegnen. Mittlerweile bin ich, wie man so nett sagt, „in den besten Jahren“, und habe inzwischen indische Ashrams, buddhistische Tempel und viele unterschiedlichste Seminare besucht. Jede neue Begegnung mit Lehrern welcher Form auch immer hat mich bereichern können. Rückblickend möchte ich sagen, dass mein Schatz an Erfahrungen aber vor allem daher rührt, einfach dem Impuls gefolgt zu sein. Denn ganz oft stellte sich nach einem Seminar heraus, dass ich etwas ganz anderes gelernt hatte, als ich mir bei der Anmeldung vorgestellt hatte. Und auch die unerwartete Erkenntnis stellte sich nachher trotzdem als wichtig und gut heraus. Der Hinweis meines Herzens hatte schon seinen Sinn, als er mir sagte: „Geh da hin! Das ist was für dich!“ Wenn auch ganz anders, als erwartet.

Einmal besuchte ich einen workshop, nur um nachher festzustellen: „Interessant, wie das hier gemacht wird. Ich würde es aber selbst ganz anders machen!“ Die Teilnahme hatte mir gezeigt, wie es für mich richtig gewesen wäre. Ein anderes Mal fand ich es stimmig, eine Ausbildung über Feng Shui zu beginnen, bei der am ersten Wochenende ausschließlich Numerologie gelehrt wurde. Der Ansatz war, dass die Hausnummer etwas mit dem momentanen Thema der Bewohner des Hauses zu tun hat. Okay, sagte ich mir, offensichtlich sollst du dich eher mit dem Hintergrund der Zahlen beschäftigen, und nahm den Wink des Universums freudig auf.

Beim Besuch in einem indischen Ashram dachte ich nichtsahnend, einen Guru kennen lernen zu wollen, nur um 9 Monate später festzustellen, dass ich glücklicher Vater von Zwillingen geworden war. Offenbar hatte der Himmel etwas anderes mit Bärbel und mir vor gehabt, als ich diese Reise antrat. Es ging also gar nicht um den Guru, aber ohne den Impuls, ihn zu besuchen, wären unsere Kinder wohl so nicht geboren worden. Oft weiß ich einfach nicht, wohin der Ruf des Herzens mich trägt. Und doch- ich sollte ihm folgen.

Sehr deutlich wurde mir dies, als ich Bärbel kennenlernte. Bald war für mich der Entschluss klar, nach München ziehen zu wollen. Ich suchte mir dort eine neue Arbeit, verließ meine Heimatstadt mit vielen Freunden und meiner Familie. Natürlich konnte ich nicht wissen, was mich in München erwartete, in einem neuen Jon, einer neuen Umgebung und meiner eigenen kleinen Familie. Aber es war für mich sonnenklar, ich wollte diese Veränderung wagen. Ich hatte das Gefühl, es sei nun an der Zeit. Auch, wenn völlig unsicher war, was kommen würde. Auch, wenn es ganz bestimmt anders würde, als ich es mir damals vorstellen konnte. Denn ich wollte diesem Ruf des Herzens folgen. Es war eine Einladung ins Abenteuer. Heute glaube ich sagen zu können: Hinter dem Ruf des Herzens wartet das Wunder des Lebens. So wie Einstein sagt:
„Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben. Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an Letzteres.“

Die wichtigste Eigenschaft an Wundern ist, sie sind überraschend, unerwartet, und vor allem fernab von dem, was mein Verstand sich vorzustellen vermag. Um das Leben als Wunder erfahren zu können, braucht es darum Vertrauen, dem Ruf des Herzens wirklich zu folgen, und den einen, neuen Schritt zu tun. Um dabei ein stückweit zu wagen, den Verstand mit all seinen Zweifeln und Sorgen auch manchmal schlafen zu schicken. Denn, wie Rumi sagt:
„Bevor der Verstand sich entschließt, einen Schritt zu tun, hat die Liebe den siebenten Himmel erreicht.“

Um das Wunder des Lebens ausdrücken zu können, hat kaum ein anderer so treffende Worte gefunden wie der persische Dichter und Mystiker Rumi. Irgendwann auf meiner Reise durch das Leben begegnete ich ihm, und er begleitet mich mit seinen Worten noch heute. Für ihn ist jeder Schritt hin zu Liebe und zum Herzen ein Schritt zu mir selbst, um mich selbst zu erkennen. Er sagt:
„Ein Schritt zu deinem eignen Herzen ist ein Schritt zu deinem Geliebten.“

Durch Rumi wurde mir die Tür in eine neue Welt gezeigt. Es braucht keine Suche im Außen mehr nach neuen Lehrern und Methoden. Die Hinwendung zu mir selbst, zu meinem Herzen, meiner Liebe und Selbstliebe lässt mich diejenigen Schritte im Leben finden, die mich näher zu mir selbst bringen. Denn die Lösung meiner Probleme und die Antworten meiner Fragen finde ich in mir, in meinem Herzen. Er schreibt:
„Ich habe am Rande des Wahnsinns gelebt, nach Gründen suchend, an die Tür klopfend. Sie öffnet sich. Ich habe von innen geklopft.“

Die Tür, die Rumi beschreibt, dreht sich um alle Facetten der Liebe. Es ist vor allem die Liebe, die in mir erblühen und zum Leben erwachen soll. Durch Liebe öffnet sich mein Herz, durch Liebe sehe ich die Welt mit neuen Augen, den Herzensaugen. Ist die Liebe eröffnet, dann zeigt sie sich in Aussöhnung mit mir selbst, Harmonie mit dem Partner, Hingabe zu meiner Tätigkeit, und auch in einer tiefen Akzeptanz des Lebens. Liebe ist für Rumi die Kraft, die das Leben zum Wunder werden lässt:
„Ohne die Liebe ist jedes Opfer Last, jede Musik nur Geräusch, und jeder Tanz macht Mühe.“

Schließlich beschreibt Rumi die Liebe auch als Weg des Menschen zu Gott. Erst durch die Kultivierung von Liebe lässt sich die Schöpfung wirklich begreifen. Für ihn ist Liebe die unsichtbare Kraft, die allen Dingen unserer ganzen Welt zugrunde liegt. Wenn wir lernen, zu lieben, uns selbst, unsere Mitmenschen wie auch das Leben an sich, werden wir Teil dieser Ganzheit. In Rumis Worten:
„Wäre der Himmel nicht in Liebe, hätte seine Brust keine Reinheit.
Wäre die Sonne nicht in Liebe, hätte ihre Schönheit kein Licht.
Wären Erde und Berge nicht in Liebe, würde kein Gras aus ihrer Brust wachsen.“

Um Gott und seine Schöpfung begreifen zu können, braucht es die Liebe. Im Sufismus, dessen bekanntester Vertreter Rumi heute ist, sagt man vereinfachend: Gott ist Liebe, und Liebe ist Gott. Liebe wird damit zum Weg und zum Ziel. Darum wird der Sufismus auch gern als Weg des Herzens beschrieben. Die mystischen Verse Rumis beschreiben den Menschen mit seiner Seele als den Liebenden, der nach der Verschmelzung mit Gott sucht, als seiner Geliebten. In einem Gleichnis beschreibt Rumi diesen Vorgang so:
„Ein Mann kommt zum Haus seiner Geliebten und klopft. „Wer ist da?“ fragt eine Stimme. „Ich bin es“, antwortet der Mann. „Hier ist kein Platz für dich und mich“, entgegnet die Stimme. Die Tür bleibt verschlossen. Nach Jahren der Einsamkeit und Entbehrung kam der Mann zurück zu der Tür und klopfte erneut. „Wer ist da?“ fragt die Stimme wieder. „Du bist es“, antwortete der Mann. Und die Tür wurde ihm aufgetan.“

Viele Leser möchten nun vielleicht noch wissen, wo der Begriff Sufismus herrührt. Sufis gab und gibt es in allen Religionen und Weisheitslehren. Der Name wird dem arabischen Wort „Suf“ für Wolle zugeschrieben, und könnte mit den wollenen Gewändern der ersten Sufis zusammen hängen. Ganz sicher ist man sich unter den Gelehrten aber nicht. Darum sei hier meine eigene Interpretation genannt, die nicht so ganz ernst zu nehmen ist. Sufi könnte sich vom Wort Sofa ableiten, denn das Herz eines Sufis ist so weich
Manfred Mohr ist Autor und Seminarleiter. Sein Buch „Die 5 Tore zum Herzen“ enthält viele Hinweise, den Weg des Herzens zu gehen.

Kasten dazu: Der Schlüssel im Herzen
Als Gott die Welt erschuf, waren die Menschen noch alle bei ihm in seinem himmlischen Reich. Es war Gottes Wille, dass sie sich auf die Erde begäben, die Er für sie bestimmt hatte.
Was können wir tun, fragte der Erzengel Gabriel, damit sie nicht immer hierher zu uns in den Himmel kommen? Sie sollen dort leben, wo sie hingehören – auf der Erde.
Gott und die Erzengel berieten. Der Engel Michael sagte: Wir müssen den Himmel verschließen.
Aber wo lassen wir den Schlüssel?, fragte Gabriel.
Michael: Wir müssen ihn verstecken. An einem Ort, wo ihn die Menschen nicht finden.
Einer der Engel schlug vor: Wir könnten den Schlüssel im Meer versenken.
Darauf Gott: Ich kenne die Menschen, sie werden Ihn finden.
Ein anderer Engel: Dann verstecken wir Ihn im Schnee der höchsten Berge.
Gott: Sie werden ihn finden.
Der Engel Esekiel, der auch ein moderner Engel ist: Wir schießen ihn in den Weltraum.
Gott: Sie werden ihn finden.
Da meldete sich Gabriel: Ich hab’s. Wir verstecken den Schlüssel im Herzen der Menschen.
Darauf Gott: Ja. lass uns das tun, sie finden ihn leichter im Meer und im Weltraum als in ihrem eigenen Herzen, aber wenn sie ihn dort finden, dann sollen sie ihn auch benutzen dürfen.
(Sufi-Geschichte)