Bärbel Mohr > Online-Magazin > Allgemeine Artikel > Artikel für Vita einfach leben: Endlich zu Hause in mir

Artikel für Vita einfach leben: Endlich zu Hause in mir

Von Manfred Mohr

Geht es dir auch so? Wenn ich nach einer meiner Reisen wieder auf der Heimreise bin, sehne ich mich regelrecht nach meinem Zuhause. Ich freue mich dann auf den Moment, in dem ich die Tür aufschließe und wieder in den vertrauten vier Wänden ankomme. Jetzt bin ich endlich wieder zu Hause, in meinem vertrauten und schützenden Bereich. Jeder von uns kennt sicherlich dieses Bedürfnis, und dazu braucht es manchmal gar keine größere Reise. Oft reicht dazu bereits ein langer und anstrengender Arbeitstag aus.

Dieses Gefühl von Zuhause gibt mir umgekehrt dann auch wieder die Kraft, erneut hinauszuziehen. Im Idealfall sollte sich bei diesem Weggehen und nach Hause kommen ein Rhythmus einstellen, etwa wie der Ein- und Ausatmen, der harmonisch und natürlich ist. Leider sind wir in unserer heutigen schnelllebigen Zeit oft dazu nicht mehr in der Lage. Dann stellt sich Hektik und Eile ein, und von wirklicher Geborgenheit, die wir in uns spüren, bleibt dann meist nicht mehr sehr viel übrig. Genauer gesagt, gerade weil wir uns nicht mehr spüren, achten wir zu wenig auf uns.

Um also wieder mehr in ein Gefühl zu finden, wieder bei mir zu Hause zu sein, ist Achtsamkeit der erste Schritt. Für mich ist dabei die wichtigste Frage, wie ich mit meinen Ressourcen umgehe. Jedem von uns werden jeden Tag 24 Stunden Zeit geschenkt und es ist an mir, zu entscheiden, wie ich sie verbringe. Wofür möchte ich meine Energie und Kraft an diesem Tag einsetzen? Oft handele ich meistens eher automatisch, ohne mir diese Frage überhaupt zu stellen.

Für mich war ein wesentlicher Moment bei diesem Thema die Geburt meiner Zwillinge im Jahr 2001. Ich war gerade nach München umgezogen, war im neuen Job sehr gefordert und hatte außerdem zwei Säuglinge zu Hause, mit denen ich natürlich gern und viel Zeit verbringen wollte. Doch bereits nach einigen Monaten stieß ich dabei auf eine Grenze. Die Nächte waren kurz und oft von Kindergeschrei unterbrochen. Ich gönnte mir zu wenig Erholung und irgendwann waren meine Energiereserven aufgebraucht. In der Folge wurde ich lustlos und genervt. Ich musste also lernen, besser auf mich zu achten. Denn ich lernte damals auf recht drastische Weise:

Ich kann anderen nur geben, was mir selbst zur Verfügung steht.

Denn oft überfordere ich mich damit, anderen mehr geben zu wollen, als ich eigentlich kann. Und das gerade bei den Menschen, die mir am meisten am Herzen liegen: Meiner Familie, meiner Frau und meinen Kindern. Ich wollte sie umsorgen, sorgte aber für mich selbst zu wenig. Sicherlich kommt dieses Phänomen dem einen oder der anderen recht bekannt vor.
Damals stieß ich auf der Suche nach einer Lösung auf einen Ausspruch von Meister Eckhard:

Alle Liebe dieser Welt ist auf Selbstliebe begründet.

Die Liebe, die ich meiner Umwelt zu schenken vermag, sie entspringt aus mir selbst. Das Bild, das sich mir dabei aufdrängt, ist das eines Brunnens, der seine Umgebung mit reichlich Wasser versorgt. So wie eine Quelle. Wenn ich mich selbst liebe, achte ich auf mich und sorge auch gut für mich. Die Quelle läuft dann über und wird zu einer Labsal für alle, die dort trinken wollen. Liebe ich mich jedoch zu wenig, kümmere ich mich nicht genug um mich und meine Quelle vertrocknet. Damit ist jedoch niemandem geholfen, weder mir, noch den anderen.

Eigentlich ist es ja ganz einfach: Die Liebe, die ich verschenken möchte, sie muss aus mir selber kommen. Nur, wenn ich mich selbst zu lieben vermag, kann ich diese innere Quelle so sehr zum Sprudeln bringen, das mich dies in die Lage versetzt, anderen Menschen meiner Umwelt Wertschätzung und Liebe angedeihen zu lassen.

Die Liebe, die wir in der Welt erleben möchten, sie entspringt zunächst einmal aus uns selbst. Selbstliebe wird damit zum Dreh- und Angelpunkt. Jeder Mensch hat einen eigenen Zugang zu seinem Herzen und zu der Liebe, die nur darauf wartet, dort entdeckt und zum Guten eingesetzt zu werden.

Um das Gefühl wieder mehr in mir kultivieren zu können, geborgen und in mir zu Hause zu sein, ist Selbstliebe so ungemein wichtig. Der erste Schritt dorthin, die Achtsamkeit, hängt unmittelbar mit ihr zusammen. Um eine Ressourcen zu schonen, sollte ich auf meine Bedürfnisse achten. Ich sorge dann gut für mich, meinen Körper, meine Seele und meinen Geist. Gibt es eine bessere Umschreibung für Selbstliebe?

Weil ich mich liebe, achte ich gut auf mich.

Um achtsam sein zu können, braucht es aber wie schon erwähnt die Verbindung zu meinem Gefühl. Die Unachtsamkeit, die mich eilig und gestresst werden lässt, hängt eng damit zusammen, dass ich mich nicht genügend spüre. Ich kann jedoch in jedem Moment in mich hineinfühlen und werde mir sofort über meine grundlegenden Bedürfnisse klar. Oft sind es die einfachsten Dinge, die am wichtigsten sind. Wunder wirkt in diesem Zusammenhang die schlichte Frage:

Wie fühlt sich das für mich an? Wie geht es mir gerade?

Und mein Gefühl wird mir immer eine gute Antwort liefern. Habe ich Hunger? Dann esse ich eine Kleinigkeit. Bin ich müde? Dann verschaffe ich mir eine kleine Pause, gehe kurz an die frische Luft oder lege mich, wenn möglich, kurz zur Erholung hin. Auf diese Weise sorge ich für mich und kann mit meiner Kraft besser haushalten.

Die Frage: „Wie fühlt sich das für mich an?“ kann mir darüber hinaus bei Entscheidungen helfen. Wie wäre es, wenn ich dieses so tue, und wie würde es sich stattdessen anfühlen, wenn ich die andere Richtung einschlagen würde? Oft kann uns das Gefühl viel besser vermitteln, was für uns gut und richtig ist, als unser Verstand.

Und damit sind wir bei einem weiteren sehr wichtigen Punkt der Selbstliebe angekommen, dem Grenzen setzen. Oftmals sage ich vorschnell Ja, um nett und hilfsbereit zu sein. Würde ich mir aber mehr Zeit für diese Entscheidung nehmen und damit meinem Gefühl die Gelegenheit zur Mitsprache, hätte ich sicher häufiger Nein gesagt. Der Trick besteht hier darin, um Bedenkzeit zu bitten, anstatt wie aus der Pistole geschossen viel zu schnell und überall Ja zu sagen. Das kann die schlichte Floskel sein: „Da muss ich mal eine Nacht darüber schlafen!“ Um danach in die Entscheidung hinein zu fühlen und sie so viel besser abwägen zu können. Dann sage ich Ja zu mir und meinem Gefühl. Und das tue ich doch immer noch viel zu selten.

Zuhause in mir zu sein, das ist vor allem ein Gefühl. Um es in mir zu kultivieren, braucht es ganz besonders die Liebe zu mir selbst. Dabei verbinde ich mich mehr und mehr mit dem Ort in meinem Körper, wo meine Liebe wohnt und wo ich sie am meisten spüren kann: Meinem Herzen. Der Platz in uns, der uns am meisten entspricht und der uns immer zur Verfügung steht, wenn wir uns geschützt und geborgen fühlen möchten, ist genau hier. Verbinde ich mich mit meinem Herzen, komme ich bei mir und meinem wahren Zuhause an. Wenn du also wieder einmal in deinem Alltag in Hektik zu kommen drohst, halte doch einfach einmal inne und spüre dein Herz. Wie fühlt es sich gerade an? Ich bin sicher, es wird dir eine Antwort geben.

Manfred Mohr ist Autor und Seminarleiter. In seinem neuesten Buch „Endlich zu Hause in mir“ hat er die sieben wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Selbstliebe zusammengestellt. Es erschien im April bei Droemer.