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Artikel für das Magazin Vita: Innere Freiheit

Von Manfred Mohr

Vor kurzem bat mich der Sohn einer guten Freundin um ein Gespräch. Er ist gerade 30 geworden und fühlte sich verwirrt von den vielen unterschiedlichen Meinungen, die gerade um ihn herumschwirren. Was sollte er glauben? So, wie es bei Fußballweltmeisterschaften Millionen von selbsternannten Bundestrainern vor den Fernsehbildschirmen gibt, die besser wissen, wie ihre Mannschaft spielen sollte, finden sich nun eine Menge von Hobbyvirologen verschiedenster Couleur, die eine eigene Sichtweise zum Umgang mit der aktuellen Situation kundtun. Der junge Mann war völlig durcheinander in diesem Chaos von „richtigen“ und „falschen“ Herangehensweisen an den Virus und wusste beim besten Willen nicht mehr, was er glauben sollte.

Mir selbst geht es da gar nicht so viel anders. Es besteht im Moment vielleicht sogar für jeden die Gefahr, in den vielfältigen Meinungen, die von außen durch Medien, Freunde und Bekannte an uns herangetragen werden, ebenso verloren zu gehen, wie es dem jungen Mann widerfahren ist. Was also war meine Antwort an ihn?

Solange wir uns von außen bestimmen lassen, ähnelt unser Leben einem Blatt im Wind, das von den Böen mal hierhin und mal dorthin getragen wird. Jetzt, wo es langsam auf Weihnachten zugeht, wirbeln die Herbststürme in dieser Art ja gerade das Laub ganz schön durcheinander. Also sagte ich dem jungen Mann: „Wende dich nach innen. Verbinde dich mit deiner Mitte. Finde zurück in dein Zentrum.“

Von Carl Gustav Jung stammt der Ausspruch: „Wer nur nach außen schaut, träumt. Wer jedoch nach innen schaut, erwacht.“ Als Mensch haben wir vom Himmel die Freiheit geschenkt bekommen, immer aufs Neue zu wählen, wie und wohin wir schauen möchten. Beim Blick nach außen verwenden wir unseren Verstand und unser Alltagsbewusstsein, was uns drängt, die Dinge zu bewerten und einzustufen.

„Jeder, der mit seinem Verstand identifiziert ist, statt mit seiner wahren Stärke, dem tieferen, im Sein verankerten Selbst, wird die Angst als ständigen Begleiter haben. (Eckhard Tolle)“

So sehr unser Verstand auch danach trachtet, hinter die Dinge blicken zu wollen, manches bleibt ihm doch verschlossen. Letztendliche Gewissheit kann der Verstand nicht finden, da er nur sehen und bewerten kann, was bereits geschehen ist. Aber alles, was in der Zukunft liegt, bleibt darum neu und unbekannt und kann nicht verstanden werden. Und genau das macht uns Angst. Diese Ungewissheit, was die Zukunft uns wohl bringen mag, ist ständiger Bestandteil unseres Lebens.

„Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber leben muss man es vorwärts. (Sören Kierkegaard)“

Zum Glück lässt sich dieses Dilemma auflösen, denn unsere persönliche Freiheit erlaubt es uns, die andere Sichtweise zu wählen und „nach innen zu blicken“, wie Carl Gustav Jung empfiehlt. Dabei verlassen wir jedoch den sicheren Hafen unseres Verstandes und wagen uns hinaus in die unbekannten Gefilde unserer Gefühle. Auch das ist natürlich mit Angst verbunden. Jedoch treten wir dabei in Kontakt zu „unserer wahren Stärke“, wie Eckhard Tolle sagt, entdecken uns dabei immer mehr und finden unser wahres Selbst. Der Schlüssel dazu liegt in unserem Herzen. Es bildet unser seelisches Zentrum und schenkt uns jedes Mal mehr Selbstvertrauen, wenn wir uns mit ihm verbinden. Hier finden wir unsere innere Freiheit, nicht mehr von den äußeren Umständen abhängig zu sein und uns ihnen ausgeliefert zu fühlen. Um beim Beispiel des Blattes zu bleiben, wir fühlen uns dann nicht mehr ziellos hin- und hergeworfen, sondern finden inneren Halt in unserer Mitte. In der Verbindung zu unserem Herzen werden wir mit Zuversicht und Vertrauen beschenkt.

Im Herzen werden wir frei, da wir uns selbst immer mehr entdecken und damit unsere eigene Meinung. Dann brauchen wir keine andere Meinung von außen mehr, die wir uns ausleihen müssen. Im inneren Zentrum verankert, gewinnen wir eine eigene Haltung, die dann auch niemanden anderen mehr überzeugen muss. Und diese Haltung kann sich durchaus verändern, denn sie ist frei und damit biegsam, in neue Richtungen wachsen zu dürfen, mit denen ich heute vielleicht noch gar keinen Kontakt hatte. Dann kann ich auch andere Meinungen so stehen lassen, denn unter gewissen Blickwinkeln hat auch diese andere Sicht durchaus eine Berechtigung. Der ständige Kampf um die „eine, wahre und richtige“ Meinung hat damit ein Ende. Innere Freiheit ist darum auch frei von Streitereien, sie ähnelt eher einem Garten:

„Hinter der Bewertung in falsch und richtig liegt ein Garten, dort werden wir uns treffen. (Rumi)“

Also, ich hoffe und wünsche, wir sehen uns alle dann dort! Folge einfach dem Ruf deines Herzens. Spüre deine Gefühle. Lass dich ein in die Reise in dein Zentrum.