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Die Wunderkraft des Segnens

Für Engelwege Heft 2 / 2015

In unseren Herzen ist ein Schatz verborgen. Wann immer wir an seine Tore klopfen, öffnet es sich ein Stück weit für uns. Und wir bekommen eine Vorstellung, welche ungeahnten Fähigkeiten nur darauf warten, von uns entdeckt und zum Guten für alle Menschen genutzt zu werden. Eine dieser Herzenskräfte ist das Segnen. Hier gebe ich an alle Menschen weiter, was in meinem Herzen schon so lange nur darauf wartet, endlich dorthin fließen zu dürfen.

Segnen ist ein Ausdruck von Liebe. Eine der wichtigsten Ebenen, die es beim Segnen zu erkunden gilt, ist darum die Selbstliebe. Wenn ich mich beim Segnen mit meinem Herzen verbinde, dann öffnet es sich auch für mich. Ich spüre mich selbst immer besser, und werde mir meiner Gefühle bewusst. Ich achte besser auf mich und meine Bedürfnisse, was sich ganz schlicht und einfach zeigt: wenn ich müde bin, dann ruhe ich mich aus. Wenn ich durstig bin, dann trinke ich etwas. Ich beginne, mein Leben mehr im Einklang mit meinen Gefühlen und inneren Wünschen zu gestalten. Als Ausdruck meiner wachsenden Liebe zu mir selbst.

Eine weitere Durchgangsstation bei der Praxis des Segnens ist das Mitgefühl. Wenn ich mir selbst bewusster werde und besser für mich sorge, wird sich schon bald der Wunsch in mir zeigen, dass es allen Menschen auf dieser Welt ebenfalls gut gehen soll. Ich beginne langsam damit, auch meine Mitmenschen immer mehr wahrzunehmen und zu spüren. Diese Ebene ist gekennzeichnet durch den Ausspruch Mahatma Ghandis: „Ich und du, wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich selbst zu verletzen.“ Die Grenze meines Ichs wird zunehmend weicher, sie dehnt sich weiter aus, und schließt auch den Menschen neben mir mit ein. Typisch für diese Geisteshaltung ist der Buddhismus, dessen Ziel durch den Wunsch umschrieben werden kann: „Mögen alle Menschen glücklich sein.“ Wenn es mir selbst gut geht, dann soll es allen anderen Lebewesen auch gut gehen.

Was für ein schöner Segensspruch dies doch ist! Ein Buddhist lernt vor allem Mitgefühl für alle Lebewesen und setzt es auch gleich praktisch ein. Obwohl der Dalai Lama als erleuchtet gilt, inkarnierte er nun schon zum vierzehnten Mal aus diesem Mitgefühl heraus immer wieder auf die Erde, um das Leid aller Wesen zu mildern. Dieses sogenannte Bodhisattva-Gelübte ist auch im Zen-Buddhismus sehr verbreitet und umfasst neben anderen genau diese Aussage: „Die Zahl der Wesen ist unendlich. Ich gelobe, sie alle zu erlösen.“
Kürzlich las ich über den Dalai Lama, er sei nunmehr der Meinung, nicht mehr wiedergeboren werden zu müssen. Der Buddhismus habe sich weltweit so gut etabliert, er halte diese Institution, die er als Person repräsentiere, nicht mehr für zeitgemäß. Ganz sicher werde er jedoch noch viele Jahre leben, seine Ärzte halten ihn mit seinen nunmehr 79 Jahren für sehr gesund. Für sich selbst habe er jedoch beschlossen, solange wieder in einen Körper auf der Erde reinkarniert zu werden, bis alle lebendigen Wesen Frieden und Glück erlangt haben.

Vielleicht fühle ich mich genau darum dem Buddhismus so verbunden. Mitgefühl ist nichts anderes als Liebe, die sich zeigen möchte, als Herzensgüte, oder als Anteilnahme am Leben des Anderen. Genau hier setzt die Kunst des Segnens an, sie macht mir bewusst, die Liebe in unserem Herzen ist ein Wunderelixier. Wenn wir segnen und lieben, werden Wunder zur Normalität. Die Liebe kann aber erst wirken, wenn wir sie beim Segnen an alle Menschen verschenken. Der Himmel hat sich das sehr geschickt ausgedacht. Wenn wir Liebe segnen und dabei geben, wir bekommen sie auch geschenkt. Wenn wir unser Herz für unsere Mitmenschen öffnen, uns selbst wir der Segen der Liebe zuteil. Ich möchte sagen: Wenn ich segne, der Segen wirkt auch für mich. Wenn ich liebe, die Liebe wird auch mir zuteil. Dazu reicht der innerliche Segen aus meinem Herzen, in der einfachsten Form: „Ich segne. Ich gebe meine Liebe. Ich lasse meine Liebe aus meinem Herzen fließen.“

So wie die Liebe zwei Liebende verschmelzen kann, so kann das Segnen uns mit allen Menschen verbinden. Ich und du, wir sind eins. Der Himmel meint es gut mit uns, und hinter dieser Erkenntnis wartet die Geisteshaltung, es auch gut mit anderen Menschen zu meinen. Und ich möchte hinzufügen, Glück in mir wächst in eben dieser Weise, auch mein persönliches Glückgefühl steigert sich genau dann, wenn ich es an andere Menschen weitergebe. Das kann ein einfaches Lächeln sein, ein Lob, ein ausgesprochenes Danke. Es kann ganz praktische Hilfe sein ebenso wie Momente, in denen ich einfach da bin und dem anderen nur zuhöre. Glück zeigt sich mir ganz besonders beim Segnen. Es füllt mich dann regelrecht aus. Manchmal fühle ich mich dann im wahrsten Sinne „erfüllt“.

In diesen kurzen Momenten gelingt es mir sogar manchmal, mich selbst als Segen zu begreifen. Und dann fließt der Segen auch am besten. Wenn ich selbst durch und durch spüre, dass ich selbst gesegnet bin, bin ich wirklich mit allem verbunden. Liebe wird dann zu einem Weg – wenn ich mich auch als geliebtes Kind der Schöpfung verstehen lerne. Bin ich ganz im Gefühl, gesegnet zu sein, dann gebe ich automatisch den Segen weiter.

Bin ich richtig glücklich, dann gebe ich auch diesen Segen ständig weiter. Dann werde ich eine Art Glühbirne, die ihr Licht auch anderen Menschen schenkt. Jede Praxis von Mitgefühl, von Dankbarkeit, von Freude oder von Glück wirkt in sich als Segen. Zugegeben, es gibt natürlich auch dunkle Momente in meinem Leben. Dann fühle ich mich beispielsweise ärgerlich. Diese kleinen unliebsamen Gefühlchen, die sicher jeder Mensch kennt, können aber auch über das Segnen geheilt werden.

Wann auch immer ich mich in meinem persönlichen Drama verliere und mich klein und schwach fühle, suche ich zuerst wieder die Verbindung zu meinem Herz. Seine aufsteigende Wärme beruhigt mich und schenkt mir bereits ein wenig Trost. Ich lasse mich in seine Geborgenheit hinein fallen. Nun beginne ich zu Segnen. Wenn ich ärgerlich bin, dann frage ich mein Herz: Warum bin ich gerade sauer? Ein Anderer war ungerecht zu mir? Ich fühle mich unbeachtet und übersehen?

Beim Segnen erkenne ich, was ich gern anders haben möchte in meinen Leben. Hier hat das Segnen große Ähnlichkeit mit dem Wünschen. Nur tue ich es nicht mehr einzig und allein für mich, sondern gleich für alle Menschen. Und so segne ich genau das: „Mögen alle Menschen gerecht und angemessen miteinander umgehen. Mögen alle Menschen freundlich zueinander sein. Mögen alle Menschen die ihnen angemessene Beachtung und Aufmerksamkeit erhalten.“

Ich kann dann auch ganz einfach alle Menschen segnen, die mich ärgern: „Ich segne alle Nervensägen mit meinem Segen.“ Der Segen wird schon wissen, was er zu tun hat. Und das geht auch ganz allgemein: „Mögen alle Menschen erkennen, wenn sie sich über den Mitmenschen ärgern, sie ärgern sich immer auch über sich selbst. Mögen alle Menschen damit beginnen, die unnütze und destruktive Energie der Wut in positive, gewinnbringendere Kanäle zu lenken, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“